History, Department of

 

Date of this Version

2016

Citation

in: KZ-Gedenkstätte Mauthausen; Kranebitter, Andreas (Ed.) Jahrbuch Mauthausen 2016: NS-Täterinnen und -Täter in der Nachkriegszeit, 35-50

Abstract

Deutschland nie wieder zu einer militärischen Bedrohung für seine Nachbarn werden. Eines der Prinzipien, auf die sich die alliierten Mächte bezüglich der Behandlung Deutschlands (und in diesem Zusammenhang auch Österreichs) einigen konnten, war die „Entnazifizierung“. In der Moskauer Deklaration hatten sie bereits 1943 festgelegt, dass die Verantwortlichen für Kriegsverbrechen und Völkermord zur Rechenschaft gezogen werden würden. Die Haupttäter1 sollten von ihnen gemeinsam abgeurteilt, andere Verbrecher an diejenigen Staaten ausgeliefert werden, wo sie ihre Taten begangen hatten. Doch sofort zeigte sich, dass die westlichen Alliierten – allen voran die USA – und die Sowjetunion zuweilen sehr unterschiedliche Auffassungen von Entnazifizierung hatten. Die Vereinigten Staaten wählten letztlich den Weg des rule of law, den rechtsstaatlichen Weg mittels langwieriger und aufwendiger Gerichtsverfahren. Diese Option war keineswegs selbstverständlich und wurde nicht von allen Protagonisten ohne weiteres akzeptiert.

Die Frage, wie vielen NS-Tätern und Nationalsozialisten es gelang, nach Übersee zu flüchten, ist kaum eindeutig zu beantworten. Sehr viel hängt von der Definition „NS-Täter“ ab, aber auch von der nationalen Herkunft; so ist es natürlich relevant, ob man nur Österreicher und Deutsche in die Statistik einbezieht, oder auch Kroaten, Litauer, Ukrainer, Ungarn etc. Außerdem müsste man die verschiedenen Einwandererländer in den Fokus nehmen, nicht nur die am besten erforschte Destination Argentinien.38 Erwähnt seien hier nur die Fälle der österreichischen KZ-Ärzte Aribert Heim (Ägypten) und Karl Babor (Äthiopien). Basierend auf den Arbeiten von Uki Goñi, Holger Meding, Edith Blaschitz (von der argentinischen Historikerkommission) und meinen Forschungen kann man von rund 100 Nationalsozialisten und NS-Tätern österreichischer Herkunft ausgehen, die die Flucht nach Übersee antraten. Die Gesamtzahl aller Nationalitäten geht aber rasch in die Zehntausende, wenn man die große Zahl an Kollaborateuren (z. B. in der Waffen-SS) aus Zentralund Osteuropa in die Statistik miteinbezieht, die nach Nord- und Südamerika auswanderten. Man denke nur an die Auswanderung der Waffen-SS-Division „Galizien“ nach Kanada.39 Die von der argentinischen Historikerkommission eruierte Zahl von etwa 180 prominenten SS-Angehörigen und Kriegsverbrechern (in Argentinien) stellt daher nur den Gipfel des Eisbergs dar.

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